Blog Transafrika 2010/2011

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Syrien und Libanon

26. November 2010, Martin Erichsen - Middle East

Der Grenzübergang in Al-Qamishli gestaltete sich Dank des in Deutschland beantragten Visums recht unproblematisch. Die Versicherung für die Tenere war mit 38 USD für einen Monat auch bezahlbar. Nach einer knappen Stunde war ich dann mit allen Formalitäten fertig und konnte meine Reise fortsetzen. Was einem im Gegensatz zur Türkei direkt auffällt ist, dass überall wesentlich mehr Müll herumfliegt. Da kommt Syrien schon sehr nah an Indien heran, immer noch das schmutzigste Land meiner bisherigen Reisen. Da GPS in Syrien verboten ist, muss ich mich die ersten Kilometer an den Straßenschildern orientieren, welche zum Glück neben Arabisch auch Englisch beschriftet sind. Nach einer halben Stunde hole ich dann das GPS-Gerät aus den Tiefen meiner Koffer und bin dank Open Street Maps von da an meistens auf dem richtigen Weg. Das Garmin 60Csx wird von fast allen Syriern für ein Handy gehalten, so dass ich es überall offen verwenden kann.

Mein erster Stopp ist Deir Ezzor, eine 250.000 Einwohner zählende staubige Grenzstadt am Euphrat. Von hier aus besuche ich die Festungen Halabiya und Zalabiya, welche von der Palmyrischen Herrscherin Zenobia am Euphrat errichtet wurden. Ich bin ganz alleine, keine anderen Reisenden in Sicht und wie mir der gesprächige Wärter versichert, auch der erste an diesem Tag. So kann ich die Ruhe den majestätischen Blick auf den Euphrat, der Lebensader Ostsyriens, genießen. Am nächsten Tag fahre ich Richtung Irakische Grenze und besuche Mari, eine 5000 Jahre alte Sumerische Stadt, und Dua Europos, eine gut erhaltene Seleukidische Festung ebenfalls mit tollem Blick auf den Euphrat.

Bilder Syrien

Weiter geht es nach Palmyra, der Haupttouristenattraktion des Landes. Hier werfe ich endgültig mein Vorurteil über Bord, Syrien wäre ein exotisches Reiseziel. Busladungen von vor allem Deutschen Rentnern werden auf Tagestouren von Damaskus oder Aleppo herangekarrt und durch die Ruinen geschleust. Dennoch ist Palmyra beeindruckend und gerade bei Sonnenaufgang und -untergang ein Erlebnis, welches man nicht auslassen sollte.

Die Altstadt von Aleppo, die große Moschee, der Souq und natürlich die Zitadelle mit tollem Blick über die Stadt muss man gesehen haben. Von Homs aus, auf dem halben Weg von Aleppo nach Damaskus und mit einer große christlichen Bevölkerung, besuche ich die Kreuzfahrerfestung Krak de Chevalier und bin doch überrascht, dort einen "Stuttgart 21" Aufkleber zu entdecken. Das zum Thema "kleine Welt". Von Homs aus geht es in den Libanon. Der Grenzübergang ist problemlos, wenn auch auf libanesischer Seite teuer, denn ich muss eine Motorradversicherung für ein Jahr für 50 USD abschließen, obwohl ich doch nur ein paar Tage dort bleiben will.

Neun von zehn Autos sind alte Benzen, auf dem Land vor allem /8er und W123er. Je näher man Beirut kommt, desto neür werden die Modelle. In Beirut selbst kommt man dann als Autofan voll auf seine Kosten, hier ist alles an Luxusschlitten zu sehen, was man sich vorstellen kann: Lamborghinis, Aston Martins, Bugattis, Porsche, Ferraris. Nicht nur die Autos sind teür und konsumfreudig, auch die Fraün, die in der Arabischen Welt eindeutig als die schönsten des Globus gelten, sind aufgemotzt und schönheitsoperiert.

In der Pension Al-Nazih treffe ich viele sehr nette Leute: Roxana aus Washington, den Georgischen Honorarkonsul und TV-Host Buddy aus Manila, Jules, Yogi und Charlie aus Oz, Manou aus Montreal und Rumiana aus Bulgarien. Wir machen die Bars und Pubs im Vergnügungsviertel Gemmayze unsicher und feiern Halloween im Klub BO18, einer der ersten Adressen in Beirut. Das gute am Libanon ist, dass er so klein ist. Jeder Punkt des Landes kann in wenigen Stunden von Beirut aus erreicht werden und so wählen fast alle Reisenden die Hauptstadt als Basis. Wir besuchen die berühmte Weingut Ksara und die 1400 Jahre alte Umayyadische Stadt Anjar im Beeka Valley. Das ist schon eigentlich alles, was ich an Sehenswürdigkeiten im Libanon außerhalb Beiruts sehe, da ich doch viel Zeit brauche, meine diversen Kater auszukurieren.

Bilder Libanon

Der Rückweg nach Syrien über den Beirut-Damaskus Highway ist nur 90 Kilometer lang, für diese benötige ich jedoch fast sieben Stunden. Der Aufstieg ins Beeka Valley von über 2000 Metern ist fahrerisch eine große Herausforderung, denn zu den Serpentinen gesellen sich noch die lebensmüden rücksichtslosen libanesischen Fahrer. Ich bin froh als ich in Damaskus heile ankomme und empfinde den Verkehr dort sogar als entspannend.

Ich verbringe noch ein paar schöne Tagen in Damaskus, wo ich Roxana und Rumiana aus Beirut wiedertreffe. Nach dem Hedonismus und der Hektik in Beirut tut es doch wieder gut, in einer arabischen Stadt mit der Ruhe der Teehäuser, der Geschäftigkeit des Souqs und der Gastfreundlichkeit ihrer Bewohner zu sein.

Syrien ist im Gegensatz zu westlichen Vorurteilen und der allgemeinen politischen Situation ein gastfreundliches, spannendes, sicheres und liebenswertes Land. Ich hatte so schöne Begegnungen und die Menschen dort sind mit die freundlichsten und liebenswürdigsten, die ich bisher auf meinen Reisen kennengelernt habe.


Van & Berg Ararat

15. October 2010, Martin Erichsen - Middle East

Die Fahrt vorbei an Diyarbakir (woher Mesut Özil stammt, wie mir viele Kurden stolz erzählt haben und deshalb große Sympathien für die Deutsche Nationalmannschaft hegen) nach Tatvan am Westufer des Van-Sees war anstrengend, aber sehr schön und ohne größere Zwischenfälle. Auf der Hälfte der Strecke und 250 Kilometern erreicht man die Großstadt Batman, nach welcher es langsam aber stetig aufwärts geht, von etwa 600 auf 1.700 Meter, was den Van-See einen der am höchsten gelegenen Seen der Welt macht. Die Temperatur sinkt spürbar, so dass es in Tatvan doch schon sehr kühl und windig ist. Die Shorts kann ich erst mal im Alukoffer lassen. Abends regnet es auch noch, dafür ist der nächste Tag sonnig und dadurch auch etwas wärmer. Ich bin froh, mit meinem Motorrad unabhängig zu sein, denn so ist die Tour zum (zweiten) Mt. Nemrut ein Kinderspiel. Die 13 Kilometer lange Schotterpiste zu dem ehemaligen Vulkan ist gut ausgebaut und das Tor zu der eigenen Welt des großen Kraters, der drei Seen und mehrere unterschiedliche Vegetationsbereiche enthält. Eine unglaubliche Szenerie und ein umwerfender Blick von der Kraterkante auf den See und Tatvan. Ich wollte eigentlich die Fähre von Tatvan nach Van am Ostufer des Sees nehmen, welche vier Stunden für die Überfahrt benötigt und hauptsächlich Güterwagons mit Ziel Iran transportiert, da es keine verbindende Bahnlinie um den See gibt. Leider hat diese keinen festen Fahrplan und fährt morgens und mittags los, wenn die Waggons angekommen und verladen wurden. So habe ich zweimal die Abfahrt verpasst und dann die Route über das Südufer genommen. So konnte ich auf dem Weg an der armenischen Akdamar Kirche auf der gleichnamigen Insel Halt machen. Diese konnte aufgrund ihrer Lage die muslimische Eroberung unbeschadet überleben und beeindruckt durch ihre kunstvollen Fresken und Darstellung biblischer Szenen in Stein.Van ist eine staubige 300.000 Einwohner zählende Grenzstadt, welche außer die den See überblickende Festung und die zerstörte und als Grundriss erhaltene Altstadt keine erwähnenswerten Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Dennoch wird sie dem Vorurteil des rückständigen, traditionellen, streng gläubigen Ostanatoliens nicht gerecht: das Straßenbild ist modern, viele Frauen sind modisch gekleidet und zu einem großen Teil unverschleiert, durch die Universität sieht man viele Studenten und es gibt sogar zwei Bars mit Live-Musik.Am zweiten Tag nach einem Frühstück mit Suzuc (würzige Wurst), Ei, Salat, Käse und leckerem frischen Fladenbrot auf der berühmten "Frühstücksstraße" mit den in der ganzen Türkei bekannten Khalvati Salonu's, den Frühstücksrestaurants, habe ich mich in Richtung Südosten aufgemacht und das kurdische Hinterland zu erkunden. Ziel waren die Festung Hosap aus Ottomanischer Zeit und die Urartische Stadt Cavustepe. Auf dem Weg überquert man einen 2.225 Meter hohen Pass mit atemberaubendem Blick über den See. Abends habe ich dann Greg aus Sanliurfa wieder getroffen, der zufällig in meinem Hotel abgestiegen ist und wir sind direkt in eine der beiden Bars gegangen und haben einige Efes getrunken und kurdischer und türkischer Live-Musik gelauscht. Neben etwa fünfunddreißig rauchender, Raki und Bier trinkender Männern waren auch sage und schreibe drei Frauen anwesend, keine schlechte Quote. Ich habe noch nie einen so männerdominierten Laden gesehen, in welchem die Kerle so viel Spaß hatten und vor allem in dem so viel getanzt wurde.

Von Van aus ging es weiter zum heiligen Berg Ararat, auf welchem Noah seine Arche vor der Sintflut in Sicherheit gebracht hat. Mit 5.200 Metern ist er auch der höchste Berg der Türkei und durch seine symmetrische Form ein besonderer Anblick. Vorher muss aber noch ein weitere Pass nur wenige Kilometer von der Iranischen Grenze entfernt überquert werden. Schon allein die bizarre Lavalandschaft auf der Hochebene ist die 170 Kilometer lange Fahrt wert. Angekommen im Städtchen Dogubayazit fährt direkt vor mir ein zum Camper umgebauter Toyota Landcruiser mit Schweizer Kennzeichen. Der hält, als er mich sieht, an und ich komme mit Christa und Johann ins Gespräch, die auf dem Weg nach Indien sind. Ich folge ihnen zu Murat's Campingplatz unterhalb des Isak Pasa Palastes, anscheinend ein Geheimtipp für Overlander auf dem Weg in den Iran. Auf 2.000 Metern wird es Mitte Oktober schon kühl und die umliegenden Berge tragen schon Schneekappen. Am Abend haben wir eine illustre Runde bestehend aus den beiden Schweizern Globetrottern und Jesus aus Spanien, der den ganzen Weg auf dem Fahrrad zurückgelegt hat und ebenfalls weiter bis nach Indien radelt. Nach einem sonnigen morgen und Besuch des eindrucksvollen Palastes oberhalb des Campingplatzes, keinem freien Blick auf den Ararat, einem regnerischen Nachmittag und wiederum einem lustigen Abend mit Christa und Johann mache ich mich am darauf folgenden Tag auf den Rückweg. Die 500 Kilometer Richtung Syrischer Grenze sind anfangs kalt und windig aber ansonsten problemlos und ich komme abends in Midyat an. Dort entspanne ich, wasche mein Bike, finde endlich Ersatz für meinen Kettenreiniger und Kettenspray und mache mich am übernächsten Tag auf nach Syrien. Ich bin gespannt was mich dort erwartet und hoffe, das der Grenzübergang schnell und problemlos verläuft.

Bilder Van & Berg Ararat


Sanliurfa

08. October 2010, Martin Erichsen - Middle East

Die nächste Etappe nach dieser Mörderfahrt war dann ziemlich kurz. Nach nur drei Stunden und 240 Kilometern vorbei am Atatürk Staudamm, dem viertgrößte Staudamm der Welt, kam ich am frühen Nachmittag in Sanliurfa an. Urfa, wie es genannt wird, ist nur 50 Kilometer von der Syrischen Grenze entfernt und die Moslems glauben, dass Abraham (der Prophet Ibrahim) hier gelebt hat. Deshalb ist Urfa auch die fünft heiligste Stadt des Islams und seine Moschee und der umgebende Gaten Baliki Göl mit den heiligen Karpfen Ziel vieler Pilger. 

Der Basar ist ein Labyrinth, in dem man sich zwischen all den Gewürzen, getrockneten Früchten und Chilis leicht verläuft. Für nur 5 TL kann man auf kleinen Schemels unerkannt an der Straße ein Shish Kebap essen, der zusammen mit Salat und frischem Ayran gereicht wird.

Abends im Hotel habe ich noch John aus Irland und Greg aus Neuseeland kennengelernt und wir haben das ein oder andere Efes getrunken. Direkt neben dem Hotel fanden wir praktischerweise einen Alkoholdealer in der ansonsten abstinenten Stadt.

Am nächsten Tag bin ich nach Harran gefahren, ein kleiner Ort bekannt für seine Bienenstockhütten aus Lehm. Das Alte Testament erwähnt Harran als Wohnort Abrahams, bevor er das Volk Israel nach Kanaa geführt hat. 

Nach einem weiteren Ruhetag (ich war zumindest im Archäologischen Museum von Urfa) habe ich mich dann auf zum Van-See im tiefen kalten Osten Anatoliens gemacht.

Bilder Sanliurfa